Als ich ein Engel war

Samstag, 26. Februar 2011

מלכות












מלכות
Markus 4,26-29


Selten kommt ein Gleichnis Jesu so schlicht und einsichtig daher:
Ein Bauer sät. Was danach im Acker geschieht muss ihn nicht kümmern. Er kann zuwarten bis die Frucht sprießt, wächst und reif wird. Dann erntet er.


So sei es auch mit dem Reich Gottes, meint Jesus. Er war ein Mann vom Dorf (Gerd Lüdemann). Seine Welt ist der Alltag, das Handwerk, die Landwirtschaft mit Schafhaltung und Fischfang, Landbau und Brot backen. Das Städtische ist dem Manne aus der Provinz eher fremd. Sein Marsch auf Jerusalem wird zum Vorstoß in die bürgerliche, ihm wesensfremde Welt. Er will dennoch zum jüdischen Heiligtum vordringen, das er in den Fängen der Heuchler, Paragrafenreiter und Unternehmer sieht. So werden seine Reden zu verfassungsfeindlichen Provokationen. Was er aufführt ist nicht geeignet, die Obrigkeit nachsichtig zu stimmen. Im Tempel macht er Tumult und stellt den eingespielten und notwendigen Wechselgeldbetrieb für auswärtige Pilger in Frage. Er haut um sich und pöbelt. Das können sich weder die jüdischen Gesetzeshüter noch die Militärdiktatur des Pilatus ohne Autoritäs- und Macht- und Gesichtsverlust gefallen lassen. So wird sein Betragen das Leben kosten, wie wir wissen.

Die dramatische Komposition des Evangelisten Markus kennt nur einen Handlungsstrang: Dieses da hat er gesagt und getan, und unausweichlich ist das da daraus geworden. Aber noch sind wir im vierten Kapitel. Noch sind wir auf dem Lande. Jesus zieht umher, predigt, heilt und fasziniert. Er arbeitet nicht, hat kein Haus und kein oberes Schlafgemach, er lässt sich von jedermann einladen und isst, was er findet. Mundraub heißt das heute und ist immer noch straffrei. Er sitzt bei Juden am Tisch, bei Neugierigen und Dankbaren, bei Beamten und Kollaborateuren der römischen Besatzungsmacht, geht zu Schwachen, seelisch Kranken, Unterdrückten, zu Weibern, die nicht mehr aus und ein wissen, Müttern, Witwen, Verrufenen.


Sein Generalthema und seine glühende Hoffnung ist das Reich Gottes. So übersetzen wir gewöhnlich das griechische Βασιλεία τοῦ Θεοῦ. Wörtlich heißt das „Königtum Gottes“, (Fridolin Stier). Vorbild ist das altbiblische, hebräische Wort malchut (siehe Überschrift). Es hat drei verwandte Bedeutungen: Das Königtum, das Königreich und die Königsherrschaft (Quelle: Wikipedia). Also die Eigenschaft, der Wirkungsbereich und das bestimmende Handeln Gottes. Die Wortwurzel ist el oder al, vielfach geläufig etwa in Israel, Michael, Eliah, Allah. Und eben auch in melech (Priester) und malchut (Gottesherrschaft).
Jesus hat dieser Verheißung so sehr vertraut, dass ihn seine Gefolgschaftsleute immer wieder bestürmten, er solle ihnen doch Näheres über dieses Reich Gottes sagen. Wie man da zu Tische sitze, wer oben, wer unten, wer zugelassen sei, wer nicht. Und wie man es sich vorzustellen habe, dieses Reich, ganz praktisch und, vor allem, wann und wie und wo es denn komme.
Die Antworten Jesu sind sehr populär: Wie der Dieb in der Nacht komme der Herr, seine Sitzordnung beim Mahl könne man sich nicht erkaufen. Klein sei dieses Reich,  anfangs wie ein Senfkorn, aber es wachse aus zu einem großen Baum, in dem die Vögel Platz haben. Und es gedeihe nur auf gutem Nährboden. Nicht auf Felsengrund, nicht unter Disteln, sondern nur im Acker, den der Bauer bestellt, den  ihr bestellt, ihr da, die ihr mir nachfolgt und zuhört. Wie das genau geht, müsst ihr nicht wissen, es geht ohne euer Zutun, bedarf aber eurer Entscheidung und Initiative. Euch kommt die Aufgabe zu, den Samen zu legen und schließlich die Ernte einzufahren. Viel ist das nicht. Für den Rest sorgt der Vater in den Himmeln. Schlaft also drüber. Steht wieder auf und tut euren Alltag, schlaft erneut und erhebt euch wieder. Aber seid wachsam. Sonst geht es euch wie den törichten Jungfrauen.
Das verstehen die Handwerker und Bauern, die Fischer vom See Genezareth, die Frauen, die mit Jesus ziehen. Und sie hoffen mit, glühen und ereifern sich und ringen und streiten jetzt schon um die besten Plätze. So liebenswert-naiv sind diese Burschen, die weder lesen noch schreiben können. Nur zuhören und fragen und wieder zuhören. So geht jüdische Glaubensunterweisung: nachdenken, fragen, zuhören, entscheiden. Aber Jesu Gefährten sind oft schwer von Begriff. Ärgerlich wird er dann, weist sie zurecht, schimpft und droht, und gibt dennoch immer wieder neue Bilder dafür, was er meint, was er glaubt, was ihn trägt. Gleichnisse nennen wir das, und die Evangelien sind voll davon.
Als dann die Katastrophe kommt, unausweichlich, Jesus hat es wohl selber geahnt und ausgesprochen, als ihm der Prozess gemacht wird und er als Brecher des Landfriedens, als Terrorist hingerichtet wird, wie tausend andere während der brutalen Herrschaft des Militärgouverneurs Pontius Pilatus, da verpufft die Herrlichkeit dieser Vision vom Königtum Gottes. Die Enttäuschung ist groß, Angst breitet sich aus, so lange, bis erste andere Erfahrungen gemacht werden. Offenbar ist er immer noch da, anders zwar, aber erfahrbar. Und manchen fällt es wie Schuppen von den Augen: Das Reich Gottes wird uns nicht präsentiert, eines Tages, wie eine Veranstaltung, die vom Himmel fällt. Und hat er das denn nicht immer gesagt? Himmel, waren wir blind! Das Reich Gottes ist bereits unter uns, klein noch, aber da, hier unter uns, beim Brotbrechen erfahrbar, so wie er das gemacht hat.
Und jetzt fangen sie an zu begreifen, was Jesus gemeint hat: Das Reich Gottes ist bereits unter euch, durch mich, durch das, was ich euch lehre und zeige und klar zu machen versuche. Seid ihr denn blind, ihr Dummköpfe, seid ihr denn taub? Habt ihr Ohren, dann hört doch, habt ihr Augen, dann seht doch! Und als Beweis für seine Zuversicht und sein Vertrauen in den Vater verwies er auf die heilende Wirkung, die seine Worte und sein Zuspruch und seine Beschwörungen hatten, vor allem auf Kranke, auf in der Seele kranke Menschen, die ihre Hoffnungen aufgegeben haben. Seht doch, wenigstens durch diese Zeichen: Das Reich Gottes ist schon unter euch!
Dieses Reich, das vom Himmel fällt, ist nie gekommen. Paulus hat es noch insgeheim erhofft, ein paar Jahre später, hat aber einsehen müssen, dass er sich in dieser realen Erwartung für seine Lebzeit getäuscht hat. Dennoch war der Glaube an die Gewissheit Jesu so stark und bestimmend, dass man sich seiner Worte erinnert hat: Was hat er denn gesagt hat, was hat er gemeint, das wir nicht sofort verstanden haben. Halten wir es doch fest, deuten wir seine Worte, schreiben wir es auf. Markus hat es als erster aufgeschrieben. Und bezeichnenderweise stehen die Reich-Gottes-Beschreibungen ziemlich am Anfang seiner Heilsbotschaft vom Umkehren.
Und wir heute? Was haben wir davon? Glauben wir an diese mittlerweile entstandenen beängstigenden Vorstellungen von Wiederkehr und Abrechnung, an ein Jüngstes Gericht, an die Stunde der Bilanz und die Einteilung in Gute und Böse: Du da, du musst in die Hölle, ewig, du aber dort, du darfst zu mir kommen, an meinen Tisch!
Betrachten wir doch das einfältige Bild, das Jesus für Einfältige angeboten hat: Schaut her, das Reich des Vaters ist so, wie wenn ihr den Samen, euren Samen ausstreut, das was ihr im Sack habt und in euren Vorratskrügen. Und dann auf den Vater vertraut. Er lässt wachsen, was ihr auslegt. Ihr müsst es nur tun, klug, an den richtigen Ort, wo er es wachsen lassen kann. Wenn dann Erntezeit ist, dann geht hinaus und schneidet, was gewachsen ist und lagert es ein und zehrt davon. Und backt Brot, das ihr teilt, so wie ich es mit euch teile. Ihr habt mich nicht allezeit. Aber was wir miteinander und füreinander tun, das bleibt. Denn das ist mein Leib. Und ihr seid seine Glieder.


Am liebsten mag ich die Übertragung von Fridolin Stier, die aus dem Nachlass dieses bescheidenen Tübinger Gelehrten und großen Orientalisten von Eleonore Beck und anderen herausgegeben worden ist. Stier belässt die Gestalt des Bibel-Griechischen so gut es geht, beugt aber nicht die deutsche Sprache:

(Mk 4, 26) Und er sagte: So ist es mit dem Königtum Gottes: Wie ein Mensch den Samen auf die Erde wirft, (27) und schläft und aufwacht, nachts und tags. Und der Same sprosst und macht sich lang, wie - er weiß es nicht. (28) Von selber trägt die Erde Frucht, erst Halm, dann Ähre, dann in der Ähre volles Korn. (29) Wann die Frucht es gewährt, gleich sendet er die Sichel, denn die Ernte ist da.

Oder die bei Bibel-Online.NET verfügbare Interlinearübersetzung, die durch ihre Wort für Wort-Übertragung den schlichten Sprachstil des Markus-Griechisch verdeutlicht, aber dadurch die deutsche Grammatik verlässt:

26 Und er sagte: So ist das Reich Gottes: Wie ein Mann wirft den Samen auf die Erde 27 und schläft und steht auf, Nacht und Tag, und der Same sprießt und wird lang, wie, nicht weiß er selbst. 28 Von selbst die Erde bringt Frucht, zuerst Halm, dann Ähre, dann volles Korn in der Ähre. 29 Wenn aber erlaubt die Frucht, sofort sendet er die Sichel, weil da ist die Ernte.

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