Die Männer blieben zuhause. Warum Oma und Mutter mich ins evangelische Gemeindehaus mitnahmen, weiß ich nicht mehr. Sie führten mich an der Hand, ich war klein, vier Jahre alt.
Auf der Steintreppe ging es kaum voran, so viele Menschen drängten in diesem ersten Winter nach der Währungsreform in den Gemeindesaal. In der großen Kirche wäre mehr Platz gewesen. Da gingen aber meine Frauen nicht mehr hin. Die Männer erst recht nicht. Sie hatten das Dritte Reich noch nicht verdaut. Ich wusste darüber nur, dass die Brüder meiner Eltern nie mehr zurück kommen würden, und dass die Frauen weinten, wenn sie mir das erzählten. Und heute wollten sie singen.
Es roch nach Lebkuchen, Tannennadeln und nassen Lodenmänteln. Und dann sangen alle. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Ich sah nichts, ich hörte nur und war gefangen von dieser langen Melodie, die sich wie ein Gartenzaun um meine Empfindungen wand. Vor meinem Gesicht die nassen Lodenmäntel. Und über mir klang es mächtig. Zum ersten Mal in meinem Leben hörte ich in solch starker Klangfülle die Tonart F-Dur, stolz und fürstlich, und doch so milde.
Ich hörte auch Mutter und Oma singen. Nach zwei Zeilen hörte Oma auf und schluchzte. Die Kurzmodulation zur Dominante erlebe ich seit damals wie das Abheben mit einem Heißluftballon oder die Anfahrt im Riesenrad. Und dann das dreimalige heraldische Signal in die Subdominante: Der Heil und Leben mit sich bringt. Dann die geradezu Händel´sch Echozeile, und schließlich der demütige Abstieg VI-II-V, zum Ende die tröstliche Klausel, stufisch zum Grundton, zurück zur Erde.
Oh, selige Kindheit und ewige Sehnsucht nach Geborgenheit und Frieden!
oh umgestellt, wie nett, nun kann ich kommentieren und Sie mit Ihrem ersten Blog in der Welt der Blogger begrüssen.
AntwortenLöschenWarum nun noch dieses Medium?
Mit hat ein Komponist eine CD zusammengestellt mit Teilen von Musikstücken, die je charakteristisch für eine Tonart sind. Wir hatten damals einen Austausch darüber zu welcher Tageszeit wohl welche Tonart am ehesten passen würde.