Advent kommt von adveniat: Er möge ankommen. Frei übertragen: Wenn er doch nur endlich käme!
Mit diesem Ruf haben die Großstadtbürger des römischen Mittelmeerreiches die bevorstehende Ankunft des Kaisers oder seines Statthalters voraus gerufen. Wenn der dann einzog, erscholl der tausendfache Ruf Kyrie, eleison, Herr erbarme dich. Gemeint und erhofft waren die beim Staatsbesuch zu erwartenden großzügigen Gaben: Brot, Wein, sozusagen Freibier, Amnestien und Sonderrechte.
Die Christen der ersten Jahrhunderte haben die nahe Erwartung des Gottesreichs auf Erden, wovon Jesus selbst noch überzeugt war, sehr bald in die Erwartung der Rückkehr des Christus umgeformt. Die Rituale des Kaiserkultes sind dabei auf diesen Christkönig übertragen worden und fanden Eingang in die Gottesdienst-Liturgie und in die Ordnung des Kirchenjahres.
Vier Wochen lang pflegen die Christen diese Zeit des Wartens, bis Gott sich in Gestalt eines Menschleins mit der Welt einlässt. Er wird niedrig und gering, nackt und bloß, wie es in dem Lied Lobt Gott, ihr Christen heißt. Er geht denselben Erdenweg wie alle Menschen. Geschaffen hat er sie nach seinem Bilde, und nun macht er sich ihnen gleich. Ein grandioses Bild gegenseitiger Liebe.
Man hat wach zu sein um die Wiederkunft des Herrn nicht zu versäumen. Dafür bot sich dem Textdichter von Wachet auf, ruft uns die Stimme (Philipp Nicolai, 1599) das Bild jener Jungfrauen an, die dem Bräutigam entgegen gehen (Matth 25,1-13). Fünf brennen ihre Öllampen ab. Andere fünf nehmen Ölreserven mit. Der Bräutigam lässt auf sich warten, so wie Jesus mit seiner Wiederkunft. Als dann der Ruf ertönt, haben sie noch Stoff und können immer noch leuchten.
Die lange Choralmelodie ist ein kleiner Kosmos verschiedenartiger melodischer Elemente. J. S. Bach hat dieses Lied mehrfach als Choralvorspiel bearbeitet. Am schönsten und gleichzeitig kompliziertesten ist der dreistimmige Satz der Schübler´schen Choräle, BWV 645, entstanden kurz vor Bachs Reise nach Potsdam zu Friedrich dem Großen (1747). Rein kompositionstechnisch eine der genialsten Arbeiten Bachs, dazuhin traumhaft schön.
Die Choralmelodie taucht phrasenweise als Mittelstimme eines Trios auf. Sie ist der Kettfaden eines Gewebes, um den sich Oberstimme und Basslinie schlingen. Die figurierte Oberstimme spielt und turtelt in naiv-unbekümmerter Gewissheit, als eine der klugen Jungfrauen den besseren Teil erwischt zu haben. Bei Bach steht sie für den die Predigt kommentierenden Gemeindechristen, der die katechetische Botschaft verstanden und aufgenommen hat und unentwegt bestätigt: Amen, Amen, ja, so ist es. Die Seele, geborgen in ihrer Glaubenszuversicht. Der Bass gebärdet sich sehr individuell, kompliziert und stets sich selbst variierend. Er steht für das Fundament des Glaubens. Ein geniales und dennoch leicht fassliches Stück Musik. Ein Diamant artistischer Kompositionstechnik, komplex wie eine meisterliche Zugfolge im Schach, und dennoch grazil wie ein Luftgeist.
Kleine Hörhilfe: Die Choralmelodie setzt sehr spät ein. Sie ist mit einem näselnden Register besetzt. Ihre Phrasen sind durch pausen getrennt, in denen das Duett aus Oberstimme und Bass munter voran schreiten.
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