Als ich ein Engel war

Montag, 24. Januar 2011

Oh, du mei Spätzle! (II)


Die Spätzles-Werkstatt

Eine Schöpfungshexalogie

Tag 2

So klein die Spätzle sind, so üppig ist der technische Aufwand ihrer Gewinnung. An die 12 Werkzeuge und Gerätschaften sind dazu nötig. Um deren jeweilige Funktion beim Werden unserer Lieblinge zu lernen, führen wir die materielle Seite der Spätzle auf das Wesentliche zurück: Spätzle entstehen, indem ein klebriger Mehlteig stückchenweise in Salzwasser gesotten wird. Die Seele der Spatzen, wie mein sie genannt hat, erfährt man allerdings erst in Verbindung mit anderen Zutaten. Und nun leiten wir Schritt für Schritt den Zweck, den Nutzen, die Maße und die Qualität der Werkzeuge ab.

Spätzle werden nicht gekocht. Sie sieden in sehr heißem Wasser, knapp unter dem Siedepunkt. Dazu brauchen wir:
  • Herdplatte deren Temperatur rasch  verändert werden kann,
  • Wassertopf für mindestens 4 Liter.
Die Temperatur des Wassers muss immer wieder nachgeregelt werden, weil durch die laufende Einlage von Teig und Entnahme der fertigen Spätzle die Wassertemperatur steigt und fällt. Das Wasser an der Oberfläche sollte nicht kochen, das Sprudeln sollte ganz von unten kommen. Der Topf braucht deswegen nicht von bester Qualität  zu sein. Allerdings dauert das Vorheizen in einem miesen Topf länger und verschleudert Energie. Ich selber koche mit Induktionswärme, die genau so präzise zu regulieren ist wie beim Gasherd.


Der Teig wird portionsweise - in das Wasser gelassen. Die Form der Spätzle entsteht erst kurz vor der Versenkung. Es gibt dazu vier verschiedene Werkzeuge, die je anders zu handhaben sind und je andere Spätzlesgestalten erzeugen:
  • Holzbrettchen mit Griff (Vesperbrettle, Spätzlesbrettle), dazu langes Messer oder Teigschaber zum Abschaben der Spätzle vom Brett ins Wasser, oder
  • Spätzlespresse zum Durchdrücken einer Teigportion, oder
  • Lochsieb mit Teigschaber zum Durchstreichen einer Teigportion, oder
  • Kaffeelöffel zum Abstechen von Teignocken.
Schaben und Drücken liefern normale, längliche Spätzle.  Das Schaben erzeugt unregelmäßige Formen, das Drücken gleichmäßige. Durchstreichen liefert Knöpfle. Abstechen liefert große Spatzen, die ihrer schieren Teigigkeit wegen nicht jedermanns Sache sind und natürlich länger sieden bis sie oben schwimmen.
Im Handel gibt es zweierlei Spätzlespressen. Einmal die normale, bevorzugt aus Metall, weil das Gerät großen Drücken standhalten muss,  mit gleich großen Löchern im Boden. Und dann gibt es die Bulling-Presse, mit unterschiedlichen Lochprofilen.
Der ehemalige Stuttgarter Regierungspräsident Manfred Bulling, der nach einer angeblichen Flüssigeipanscherei des Nudelherstellers Klaus Birkel im Jahre 1985 seinen Hut nehmen musste, soll das Patent besitzen. Er habe mit seinen Söhnen geschabte Spätzle getrocknet, statistisch ausgezählt, die Querschnitte der verschiedenen Langformen typisiert und diese gemäß ihrer Häufigkeit als Lochprofile in der Presse verewigt. Ein treffliches  Beispiel zielführender schwäbischer Spitzfindigkeit und Tüftelei. Ich besitze eine Bulling-Presse. Ihre Spätzle sind von geschabten praktisch nicht zu unterscheiden. Allerdings muss die Konsistenz des Teiges präzise abgestimmt sein, sonst gibt es Stauungen und Verdichtungen. (http://www.dooyoo.de/kochzubehoer-backzubehoer/buchsteiner-spaetzle-wunder/736490/)

(Übrigens: Klaus Birkel hat sich nach seiner erfolgreiche Klage gegen das Land BadenWürttemberg 1989 aus dem Staub gemacht. Er züchtet in Florida Rinder. Das Startgeld hat er vom Steuerzahler: Rund 12 Millionen DM Entschädigung. Von den befangenen Gutachtern, die ihn aus der Schusslinie brachten, redet heute niemand mehr. Die Firma Birkel gehört inzwischen dem Franzosen Danone.)

Zum Einfüllen des Teiges und zum Fischen der Spätzle sind folgende Werkzeuge nötig:
  • Löffel groß, zum Einfüllen oder Auftragen des Teiges,
  • Langmesser zum Schneiden, Trennen und Aufmischen der eingedrückten Spätzle im Wasser (nur bei der Pressmethode),
  • Schüssel klein oder  standfester Becher mit heißem Wasser, zum Einstecken der Teigwerkzeuge Löffel und Langmesser, damit der Teig nur wenig an ihnen klebe,
  • Spätzlessieb flach, kreisrund, mit langem Stil, zum Ausheben der Spätzle aus dem Sud und Ausheben aus der Zwischenspülung in die Servierschüssel,
  • Schüssel groß, mit heißem Wasser, zum Zwischenspülen der gefischten Spätzle,
  • Servierschüssel, warm, oder
  • Backblech, kalt
Werden nur wenige Portionen hergestellt, genügt eine Servierschüssel. Ich stelle meistens eine große Menge Spätzle her, die für drei Tage und verschiedenartige Gerichte ausreichen, damit sich der Küchenaufwand rentiert. Dazu werden die frischen Spätzle auf einem kalten Backblech  ausgebreitet, kurz ausgedampft, danach mit etwas Öl beträufelt, damit sie nicht kleben, und mehrfach mit den Händen aufgemischt, ähnlich wie das Heu Wenden nach dem Mähen des Grases.


Der Teig wird mit folgenden Werkzeugen hergestellt:
  • Küchenwaage,
  • Schüssel,
  • Handrührgerät mit Knethaken, sehr bequem, oder
  • Rührlöffel, für die Nostalgiker und Kraftprotze, oder
  • Küchenmaschine für große Menge ab 1000 g Mehl.
Manche Spätzlesanleitungen schreiben: Mit dem Rührlöffel solange schlagen, bis der Teig Blasen wirft. Das kostet sehr viel Kraft.

Es wird dringend empfohlen, nach der Teigzubereitung zuerst alle Gerätschaften en place zu stellen, wie die französischen und schweizerischen Küchenschulen sagen. Vor allem die Anordnung der Gerätschaften um den Herd herum ist bedeutsam, weil alle Teile griffbereit ausgelegt werden müssen. Die Produktion am Wassertopf duldet nämlich keine Lücke. Die einzelnen Handgriffe werden am vierten Schöpfungstag beschrieben. Sie greifen ineinander als eine Maschinerie, die, einmal in Gang gesetzt, nicht mehr aufgehalten werden darf.


Eine bildliche Übersicht der Werkzeuge ist in Vorbereitung.

Damit endet der Werkzeugüberblick. Der Abwasch aller Werkzeuge ist ein gewaltiger Aufwand, wenn man mit anderen Vorgängen in der Küche vergleicht. Küche und Herd stehen voll mit den Gerätschaften, alles klebt und schmiert. Eine Erstreinigung unter kaltem Wasser mit den bloßen Händen erleichtert die Arbeit.

Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag, ihr Lieben!  Am nächsten, dritten Schöpfungstag werden wir uns mit der Zubereitung des Teiges und seiner Konsistenz befassen.





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