Als ich ein Engel war

Mittwoch, 22. Juni 2011

Angina, beengende Stimmräuberin

Für eine kranke Spätzin ist dieser Tage ein Trostgedicht(le) entstanden. Den Wünschen angeschlossen haben sich ihre aquadynamischen Freunde in den Sieben Meeren.

Ni, na, Nanna, kranker Spatz,
Hat im Hals ein Auuuuua,
Liegt auf ihrem Lieblingsplatz
(Ohne ihren Lieblingsschatz)
Und schiebt einen Blauuuuua.

Morgen ist der Dokt´r dran,
Guckt ihr tief ins Hälsle,
Den Bazillus rockt´r dann,
Mit der Kasse zockt´r dann,
V´rschreibt ihr Brot mit Gsälzle.


Alles Gute zur Besserung wünschen die Delphine des Nordatlantik und vom Mittleren Neckar!
We Wish You all the Best! (Quelle: Google-Bilder)

Sprachliche Erläuterungen:

Der Diminutiv -le ist schwäbisch. Entgegen der Auffassung von Fremdlingen, die der schwäbischen Kultur in Unverständnis ferne stehen und fehlendes Verständnis durch Spott ersetzen, meint er zuletzt eine Verkleinerung oder gar Verharmlosung. Er ist liebevolle Benennung. Aus Hals wird im Hälsle zarte Anteilnahme am kranken Organ, sozusagen mentales Streicheln.
Das gilt auch für Gsälzle als Diminutiv von Gsälz. Damit benennen Schwäbinnen und Schwaben eine Marmelade, vorwiegend aus heimische Beeren, wie Johannis-, Erd-, Him-, Brom- und Stachelbeeren. Ein Mann, der mit Vorliebe Gsälz auf Butterbrot verzehrt, ist ein Gsälzbär. Es gibt mehr Gsälzbären als man denkt. Schwäbische Lehrmeisterinnen pflegen einem jugendlichen Liebhaber und Adepten der Liebeskunst, den sie nächtens mit den Wonnen der Zweisamkeit vertraut gemacht haben, zum Frühstück ein Gsälzbrot zu richten und in mundgerechte Stückchen geschnitten auf einem Holztellerle zu servieren, nebst einem Kako. Dazu sagen sie mit zärtlichem Blick: Komm, iss Bua!
Insofern könnte Spätzin im ersten Satz auch durch krankes Spätzle ersetzt werden.
Ein Aua ist die kindliche Bezeichnung für eine Verletzung oder das, was weh tut. Ist der Casus harmlos, kann man auch von einem Auale sprechen, wobei das -le tatsächlich eine abschwächende verkleinerung ist.
Das Wort Gsälz kommt von Gesalzenem und meint das Konservieren des Fruchtbreis mit Zucker und anderen Stoffen, die das Dauern bewirken. Die Bezeichnung wird in Anlehnung an das Konservieren mit Salz verwendet, das vor allem in der Wurst und beim Fleisch die Hauptrolle, im Gsälz aber nur eine Nebenrolle hat.
Einen Blauen schieben stammt aus der Arbeitswelt und meint blau machen, also unerlaubt Urlaub machen, was allerdings im Falle der kranken Spätzin nicht wörtlich sondern ironisch zu verstehen ist.
Etwas oder jemanden rocken ist aktuelle Jugendsprache. Rock & Roll ist ursprünglich eine deftige Beschreibung der Körperbewegungen während der geschlechtlichen Begegnung. Deswegen war Rock´n´Roll als Musikrichtung in den USA zuerst mal verpönt, wenn nicht verboten, Musik für Schwarze, also für die Unterschicht. Erst durch Bill Haley und Elvis Presley wurde die Angelegenheit weißer. Den Bazillus rocken meint also, ihm heftig zu Leibe zu rücken und ihn aus dem Hals zu vertreiben.
Mit den Kassen zocken ist das Los aller Hausärzte, denen ein Kontingent verbietet, mehr Arznei pro Monat zu verordnen als das Kontingent zulässt. Eine blödsinnige Unanständigkeit und unzulässiger Eingriff in die durch den hippokratischen Eid gewährleistete Verpflichtung zur Hilfe durch den Arzt in Krankheit und Not.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen