Frau Birgit und Frau Waltraud planen die Fastenzeit. 7 Wochen ohne. Das schreiben sie im Facebook. Nette, nahe liegende Gedanken kriegt man da zu lesen. Wer gerne mit einem Gläschen überbrückt, plant 7 Wochen ohne Alkohol. Wer sich gerne vereinnahmen lässt, plant 7 Wochen ohne Stress. Wer gerne bezaubern und bemerkt werden will, plant einen völlig freien Tag pro Woche. Wer sich gerne durchmogelt, plant 7 Wochen ohne Ausreden. Scherzkekse planen 7 Wochen oben ohne. Oder 7 Wochen ohne Kinder.
Mit den guten und festen Vorsätzen habe ich nur schlechte Erfahrungen gemacht. Bald kommt der Moment, wo man sich sicher fühlt, weil man schon eine Woche ohne hinter sich gebracht hat. Da wird dann ein Gläschen kein Gläschen, und bald kommt die Flasche. Eine Tat des vorauseilenden Gehorsams wird zur masochistischen Sonderübung. Zwei Stunden Arbeit am freien Tag wachsen zur unaufschiebbaren Pflicht aus. Oben ohne führt zu Erkältung und kinderfreie Zeit zur Vereinsamung.
Das Rauchen habe ich ohne Vorsatz beendet. Vom rituellen Revalraucher zum Nichtraucher in zwei Minuten. Letzte Reval halb geraucht, schier gekotzt, ausgedrückt, fertig. Seither waren alle meine Vorsätze und Fastenprogramme Kampfansagen gegen den Ranzen, den ich mir über die Jahre hin angefressen habe. Vom schlanken Bursch zum adipösen Fettsack. Grad Eins. Fast dreißig Kilo zu viel auf dem Gestell. Rauchersucht eingetauscht für oral-olfaktorisch-gastrotechnische Selbstbefriedigung. Schwere Scheiße.
Grund der Lustverlagerung ist wie bei fast allen Zwangshandlungen eine unreflektierte und deswegen munter ihr Unwesen treibende kindliche Erfahrung, zu kurz gekommen zu sein. Oder benachteiligt, hintan gesetzt, unterdrückt, abgeschoben, nicht wahrgenommen worden zu sein.
Jetzt sage ich der Kacke den Kampf an. Wieder mal. Aber mit einem raffinierten Konzept. Ich habe nämlich beobachtet, dass ich selber eine Unart pflege, die mir bei anderen gewaltig stinkt. Und diese Unart will ich nunmehr unterlassen, mich lächelnd von ihr wegfasten, sie entlarven, indem ich sie einfach nicht mehr zulasse. Dazu bedarf es aber der Übung und der Konzentration, weil der Mechanismus automatisch abläuft und sich rationaler Kontrolle so leicht entzieht wie ein Tic.
Welche Unart denn?
Ein Beispiel: Wir hatten in der Schule eine Kollegin, die haben wir zu unserer Unterhaltung instrumentalisiert. Einer sprach sie an und erzählte, was ihm gerade oder gestern passiert sei, woran er gerade leide oder was ihm gar nicht passe. Ein Stichwort, ein Satz hat genügt. Dann war die Kollegin sofort online: Oh, wem sagst du das! Au weia, da kann ich ein Lied davon singen! Das ist noch gar nix, vorgestern habe ich...!
Das ging vollautomatisch. Und dann hat sie uns ihre Krankenakten und die von ihrer Verwandtschaft vorgetragen, ihre gesammelten Missgeschicke und Glücksmomente. Hieß das Stichwort Sonnenaufgang in den Alpen, dann hatte sie bereits den Sonnenaufgang des Jahrhunderts erlebt. Hieß das Stichwort Besuch im Musical, dann hatte sie dieses Musical schon drei Mal gesehen vor Begeisterung - oder würde nie mehr hingehen, so bescheiden sei das. Hieß das Stichwort Milch im Topf zu Kohle eingebrannt, dann kannte sie einen Nachbarn, zu dem im selben Falle die Feuerwehr anrücken musste.
Und nun stelle ich fest, dass ich mich schon immer und ebenfalls ins Spiel bringe, sobald mir einer was von sich mitteilt. Von SICH. MIR. Als ob er mir was Gutes damit tun wollte, mich endlich zum Sprechen bringen wollte! Umgekehrt wird ein Schuh draus: Der liebe Mensch will von SICH erzählen - und ich armer Tropf glaube, er lade mich ein, von MIR zu erzählen. Schon immer mach ich das. Und das wird hiermit kategorisch beendet. Ungefragt werde ich von mir nur noch hier im BLOG erzählen. Kommt Madame, kommen die Töchter, die Enkelkinder, begegne ich der Nachbarin, Frau Pfarrer oder Herrn Doktor oder der Bäckersfrau, dann höre ich zu und sage höchstens: Interessant! Wie hast du das verkraftet? Das stelle ich mir ganz schön schwierig vor! War es das erste Mal? Hast du das öfter? Das macht mich fast sprachlos! Brauchst du Hilfe? Oh, damit kommt man sicher nicht so einfach zurecht, oder?
Und so weiter.
Ich vermute, dass diese Fastenbeschränkung sich auf andere Laster lindernd auswirken kann. Mal sehen. Und ich bin sehr gespannt und werde hier Bilanz ziehen. Jetzt geht´s los. Schon am Faschingsdienstag. Wer auf Aschermittwoch verschiebt ist noch nicht reif für die Revolution.
da bin ich ja mal gespannt welche erfahrungen Sie damit sammlen
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