Als ich ein Engel war

Sonntag, 13. Februar 2011

Fundus (1)

Ich kann nicht draußen sein ohne alles lesen zu müssen, was geschrieben steht. Nicht nur die Wörter, Sätze und Zeichen erzählen, auch ihre Form, ihre Flüchtigkeit oder ihre Dringlichkeit haben Stimmen, die ich höre.

Fundus ist der Vorrat meiner Fundstücke.

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Im Supermarkt habe ich einen Wagen gezogen, dessen Kette noch baumelte. Aber niemand weit und breit. Unten im Wagenkorb lag ein Einkaufszettel. Quadratisch, weiß, von der Sorte, die in quadratischen Plastikschalen auf Schreibtischen stehen, mit Greifschlitz. Einzelne Blättchen, keine gelben Zettel zum Anheften. Was lernen wir aus der Notiz?


Die Handschrift spricht für eine weibliche Kundin, Mitte 30, selbstbewusst, Gefühle vorhanden aber unter Kontrolle. Die Notiz ist im Büro entstanden. Gezielter, rascher Einkauf zwischen Arbeit und nach Hause. Autofahrerin (Parkdeck). Bewusste Esserin. Unterscheidet fettarmen (1,5%) und etwas fetteren (3,5%) Joghurt. Ex bedeutet wahrscheinlich die Marke Exquisa. Honig und Esskastanien könnten auf eine exquisite Zubereitung von karamellisierten Kastanien verweisen. Schwarzwaldmilch deutet auf Bevorzugung von BIO-Ware. Liebt Quarkzubereitungen (Quarkpaprika). Wahrscheinlich Single-Haushalt. Keine Gewichtsprobleme. Fette und gesunde Lebensmittel in frohem Wechsel. Kein Lebensmittelmüll wie Schweinefleisch um 2,89 pro Kilo, Chipse oder Nutella.

Schönes Fundstück!

2 Kommentare:

  1. Single-Haushalt? Ich weiß nicht...

    Ist nicht der 3,5%ige Joghurt für den Freund, der längst begriffen hat, dass man sich nicht am Joghurt gängeln muss? Dass man sich den Luxus von zwei Prozentpunkten mehr Fett gönnen kann, weil Vollmilchjoghurt einfach besser schmeckt? Dass der echte Genussmensch lieber weniger vom guten als mehr vom nicht so guten Essen verzehrt?

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  2. Das ist alles denkbar bis wahrscheinlich. Wie bei Vielem im Fundus. Die Welt ist vielfältig.

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