Als ich ein Engel war

Dienstag, 15. Februar 2011

Dienst am Dienstag?

Sitzt der Paul über seinem Sprachbuch. Wortstämme suchen. Da stehen die Namen der Wochentage in bunter Folge. Dazwischen gestreut sind Substantive und Verben. Etwa so:
Mittwoch, donnern, frei, Sonne, Dienstag, Freistunde, Mitte, Mittag, Dienst, frei, Montag, Freitag.
Und so weiter. Paul soll Wortstämme suchen und samt der zugehörigen Wörter in eine Heftzeile schreiben.
     Opa, was heißt denn das, Wortstamm?
Ich kenne diese Fragen. Schon meine Kinder haben solche Fragen gestellt, als sie klein waren:
     Papa, ich hab doch gemacht was da steht: Welche Raten zahlt Herr Maier?
Was für eine Scheißaufgabe! Ein Auto, völlig überteuert - wir hatten damals gar keines, weil wir uns keines leisten konnten - sollte mit einer Anzahlung und sechs Raten bezahlt werden. Kein Schwein macht das so. Nur Drittklässler. Und Lehrerinnen, die darauf bestehen, dass ihr Unterricht aus dem Leben gegriffen sei.
     Aber Anna, das stimmt doch nicht, was du gerechnet hast!
     Warum nicht? Ich hab es richtig geraten.
     Du hast es geraten?
     Ja, da steht doch: Welche Raten.

Und Paule knabbert am Wort Wortstamm. Stämme gibt´s im Wald. Aber nicht im Sprachbuch. Da gibt´s Seiten und Blätter. Blätter! Siehe Wald. Haben die Kinder einen Wortbaum malen und bekleben dürfen, mit Singen als Stamm, mit Ästen und Zweigen namens Gesang, Song, Singvogel, Singstimme, ansingen, absingen, vorsingen. Oder mit Haus und häuslich, Gasthaus, Hochhaus, hausen, Haushalt, Häusle. Exemplarisch. Genetisch. Wie Martin Wagenschein es in Tübingen schon vor 40 Jahren gelehrt hat. Diese Methode kostet Zeit. Zeit hat man nicht mehr in der Kindheit. Alles zielt zielführend auf das große Ziel: Verwertbare Arbeitnehmer, steuerbare Arbeitsvorbereiter und an diese Methode glaubende Arbeitsverteiler, auf die so genannte Arbeitswelt, mit ihren Zeitfenstern und Gleitzeiten und Zeitkonto.



Wortstamm, an einem Ende in der Luft hängend
Paule hat seine Wortfamilien hingekriegt, (eine Metapher, die vermutlich nicht erklärt worden ist). Wie auch, wenn die Hälfte der Klasse nur unvollkommen Deutsch spricht. Der Bub hat sich auf gleich und ähnlich klingende Buchstabenfolgen verlassen. Gut so. Das aber galt als uneingeschränkt richtig. Ohne Ausnahme.  Denn richtig ist immer das, was der Schulbetrieb erwartet. Der Erwartungshorizont. Und der ist häufiger falsch gezogen als man glaubt. Das weiß ich seit 60 Jahren. Vor 60 Jahren habe ich zum ersten Mal eine Schulstube betreten. Vor einem halben Jahr zum letzten Mal.
Ich habe unten im Hausiheft vermerkt: Liebe Kollegen, Dienstag kommt ja nicht von Dienst sondern von Ziu, dem germanischen Gott des Streites, was noch deutlich wird im schwäbischen Zaischdig für DienstagMündliche Antwort: Wir wissen das, aber das begreifen die Kinder noch nicht.
Anmerkung für Nicht-Schwaben: Wir sind Schwaben. Wir leben mitten im Schwabenland, wo die gebüldeten Schwaben ein furchtbares Hochdeutsch sprechen, wenn sie außerhalb ihrer vier Wände sprechen. 

Ziu heißt auch Tius. Und das hören und lesen wir noch im englischen Tuesday. Die Grundschüler haben auch das Fach Englisch. Aber das juckt wohl nicht. Man kann Kindern auch etwas unvollständig erklären. Mache ich jeden Tag (als ob das Wissen der Erwachsenen jemals vollständig sei). So weit erklären, wie Kinder mitzugehen in der Lage sind. Der Rest wächst nach. Die Schule aber denkt in ihren Schubladen.
Das, liebe Leute, muss man abstellen! Fakten fälschen, weil sonst der Wochenkalender nicht komplett als Aufgabe taugt, weil sonst die Korrekturschlüssel nicht automatisch angewandt werden können, beschädigt Bildung, Kultur, Intellekt und Redlichkeit.


Nächstens mehr.

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